Elisheva Lehmann und Siegmund Pluznik
Ein holländisches Mädchen, das sich vor den Nazis mit ihrer Familie versteckt halten musste – inzwischen eine alte Dame, die in Israel lebt. Ein polnischer Junge, der auf der Flucht vor den Nazis von seinem polnischen Geburtsort über Wien nach Palästina gelangte, von dort aus wieder zurück nach Europa ging und dann nach Frankfurt kam.Obwohl weit von uns entfernt – getrennt durch Alter und Ort – sind sie uns nahe gerückt. So nahe, als wären wir schon lange mit ihnen bekannt. So greifbar, dass wir meinen, sie zu kennen.
Diese Erfahrung haben wir einem Workshop zu verdanken, der von dem Verein „Heimatsucher“ am Samstag, 9.11.2019 (dem 81. Jahrestag der Reichspogromnacht) an unserer Schule organisiert wurde. Erinnern ohne Zeitzeugen – dies ist das Ziel des Vereins. Da der Kreis der Zeitzeugen immer kleiner wird, soll die Erinnerung an die Holocaust-Opfer aufrechterhalten werden, indem sogenannte „Zweitzeugen“ ausgebildet werden.
Insgesamt 21 Schülerinnen und Schüler unterschiedlichster Jahrgangsstufen (angefangen bei der 7. Klasse bis hin zur Q2) ebenso wie wir Lehrerinnen sind so zu Zweitzeugen geworden. Zeugen, die das Leben von Elisheva und Siegmund bezeugen können.
Nach einer Einführung zur antijüdischen Gesetzgebung setzten wir uns mit den Schicksalen von Elisheva und Siegmund intensiv auseinander. Eingängige und packende Vorträge zu dem Leben der beiden, gehalten von Kirsten Föckeler und Christine Ewald, schlugen uns dabei in ihren Bann und rückten Elisheva und Siegmund als Menschen in den Fokus – nicht nur als Opfer. Anschließend hatten unsere SchülerInnen Gelegenheit sich in einem Brief an Elisheva oder an den Sohn des inzwischen verstorbenen Siegmund zu wenden. Diese Briefe werden nun durch den Verein an die Adressaten übermittelt.
Eine Auswertungsrunde am Ende des Vormittages machte uns deutlich, wie Elisheva und Siegmund es trotz ihrer schlimmen Erfahrungen schafften, nach dem zweiten Weltkrieg und nach Ende des Holocaust ein sinnerfülltes Leben zu leben. Worauf kam es ihnen im Leben an? Was war ihnen wichtig? Woran konnten sie sich festhalten? Wie konnten sie diese schlimme Erfahrung überstehen? All diese Fragen taten sich auf und wandelten sich schließlich zu „Worauf kommt es in unserem Leben an?“ „Woran können wir uns festhalten?“
Somit können die Biografien von Elisheva und Siegmund nicht nur als Opfer-Biografien gelesen werden, sondern vielmehr auch als Modell dienen, als Modell für uns alle, egal welchen Glaubens oder welcher Nationalität wir sind, auch wenn wir glücklicherweise nicht solch schreckliche Erfahrungen machen mussten und müssen.
Wir danken dem Förderverein unserer Schule ganz herzlich für die finanzielle Unterstützung des Projektes, ohne die dieser intensive Vormittag nicht möglich gewesen wäre!
Claudia Kollbach und Lydia Krüger
Briefe an Elisheva bzw. den Sohn von Siegmund Pluznik, verfasst von Schülerinnen und Schülern des GaO: