Information: Projektkurs Biologie
OrganisationProjektkurse bieten Schülern wie Lehrern die Freiheit, fachbezogene eigene Themen intensiv zu behandeln. Sie werden mit 2 Stunden auf das Stundendeputat der Qualifikationsphase angerechnet. Es gibt nur eine Note zum Ende des Schuljahres, die wie zwei Grundkursnoten zählt. Das Ziel ist eine ausführliche Projektdokumentation, die die Facharbeit ersetzt.
Projekt 1: Verhaltensbiologie
Die Papplabyrinthe, durch die die SchülerInnen mit Stift oder Finger fahren mussten, sahen zunächst nach Spielerei aus. Aber es entpuppte sich sehr schnell als durchaus schwierig, konkrete Forschungsfragen dazu zu formulieren (z.B. Wie schnell lernt der Proband den Weg?), das Experiment präzise und reproduzierbar durchzuführen und valide zu dokumentieren. Mit mehr Zeit und Ruhe als im Regelunterricht konnten sich die SchülerInnen diese grundlegende naturwissenschaftliche Methode aneignen.
Wie intensiv derartige Lernversuche in der Wissenschaft genutzt werden, erfuhren die SchülerInnen beim ersten Höhepunkt des Jahres, einem Besuch im Labor von Prof. Gerhard von der Emde (Zoologisches Institut der Uni Bonn, Abteilung Neuroethologie/Sensorische Ökologie). Er führte uns in die Forschung an schwach elektrischen Fischen ein, deren Sinnesleistungen mit Verhaltensversuchen untersucht werden. Seine MitarbeiterInnen zeigten uns die Versuchsaufbauten und erklärten mit viel Entusiasmus ihre Arbeit. Die SchülerInnen fragten auch nach den Arbeitsweisen in der biologischen Forschung und nach den Anforderungen an die StudentInnen.
Projekt 2: Zellentwicklung - Stammzellen
Im Januar bot sich überraschend ein zweites Highlight: Ein Besuch im Institut für Rekonstruktive Neurobiologie des Stammzellforschers Prof. Oliver Brüstle (Universitätsklinikum Bonn, Life&Brain). Nicht nur Herr Prof. Brüstle persönlich, sondern vier seiner renommierten Mitarbeiter boten Vorträge an, zwei Labore konnten wir besichtigen und einige Postdocs erzählten über ihren Werdegang und diskutierten mit den SchülerInnen.
Dieses ungewöhnlich aufwändige Angebot erforderte natürlich eine gründliche Vorbereitung. Wir besorgten uns einige Artikel über Stammzellen und Parkinson und setzten zwei Termine für die Behandlung an. SchülerInnen aus anderen Kursen stießen dazu - in ihrer Freizeit! Die SchülerInnen organisierten selbstständig ihre Busfahrt auf den Venusberg und erschienen alle zusammen pünktlich im Institut.
Die Vorträge waren sehr gut aufbereitet, forderten aber die Zuhörer weit über das gewohnte Maß. Trotzdem hörten alle gebannt zu, stellten gezielte und ergiebige Fragen und hielten bis zum Schluss aufmerksam durch. Den englischen Vortrag eines chinesischen Wissenschaftlers konnten wir allerdings nur grob anhand seiner Präsentation verstehen. Aber die Lehre kam an: Naturwissenschaftler kommunizieren heute auch in Deutschland zu einem großen Teil auf englisch.
In den Pausen gab es kleine Geprächsrunden und eine große Brötchentafel.Dann ging es in die Labore. Wir konnten den Forschern über die Schulter schauen, die Hautzellen zu Neuronen umprogrammieren, bekamen vorgeführt, wie man Zellen in flüssigem Stickstoff einfriert, sahen die bunt fluoreszierenden „künstlichen“ Neuronen im Mikroskop und wurden in die Stem Cell Factory geführt. Das ist der weltweit erstmalige Versuch, über eine voll automatisierte Roboterstraße in Wohnzimmergröße die Umprogrammierung von Zellen standardisiert durchzuführen.
Zum Schluss fasste Herr Prof. Brüstle die Grundprinzipien des Institutes Life&Brain und die Ziele seiner Forschung zusammen. Dabei berichtete er von wieder überraschenden neuen Erkenntnissen, die er am Vortag in Cambridge erfahren hatte. Seine Begeisterung sprang auf viele Zuhörer über.
Erkennbar wurde das in der ersten Nachbesprechung, als die SchülerInnen des Projektkurses Themen zur Stammzellforschung und molekulare Methoden für den nächsten praktischen Teil des Kurses den ursprünglich vorgesehenen Verhaltensbeobachtungen an Tieren vorzogen.
Ende März startete die praktische Arbeit mit Bakterien. Ein Schüler brachte aus seinem Berufspraktikum an einem mikrobiologischen Institut (Stufe EF) einen ganzen Stapel Agarplatten mit, sodass wir sofort loslegen konnten: In welchen Milchprodukten sind wie viele Bakterien? Von der Rohmilch direkt vom Bauernhof über Quark und Yoghurt bis zu H-Milch hatten die SchülerInnen viele Proben mitgebracht. Außerdem musste gelernt werden, steril zu arbeiten und die „Milchbakterien“ mit Impöse und Drigalski-Apatel sorgfältig auf die Agarplatten aufzutragen. Schließlich gab es noch eine „Kochorgie“ mit Bouillon und Nährböden für die bestellten Reinkulturen. Wir sind gespannt, was wir entdecken.
B. Durst